Beschäftigt man sich mit den Ursachen psychischer Probleme, ist ein Wort besonders häufig zu lesen: multifaktoriell. Das bedeutet, dass verschiedene Einflüsse und deren Wechselwirkung eine Rolle spielen.

In der klinischen Praxis werden insbesondere zwei Erklärungsmodelle für die Entstehung psychischer Erkrankungen herangezogen:  

  1. das biopsychosoziale Modell, worin das Zusammenwirken (neuro-)biologischer, psychologischer und sozialer Faktoten beschrieben wird;
  2. das Vulnerabilitäts-Stress-Modell, worin das Zusammenwirken der individuellen Verletzlichkeit eines Menschen (Vulnerabilität) mit dem Ausmaß der äußeren Belastungen (Stress) beschrieben wird.

In beiden Modellen werden also keine Ursachen, sondern personenbezogene und umweltbezogene Faktoren dargestellt, die der psychischen Verfassung eines Menschen zugrunde liegen.

Selbst einschneidende Erlebnisse wie Kriegs- oder Gewalterfahrungen, schwere Erkrankung oder Verlust eines Angehörigen, Verkehrsunfälle, Naturkatastrophen, Unterdrückung oder Missbrauch sind keine alleinigen Verursacher – sie können lediglich einen auslösenden Effekt haben. Man kann es sich wie eine Regentonne mit einem flexiblen Fassungsvermögen vorstellen. Ist die Kapazität in der aktuellen Lebenssituation groß, können Belastungen mit höherer Wahrscheinlichkeit aufgefangen werden (je nachdem, wie stark und wie viel es regnet). Ist die Kapazität klein, läuft sie schnell über. 

Welche Faktoren erweitern unser Fassungsvermögen und tragen somit zur psychischen Gesundheit bei?

  • Soziale Beziehungen: Liebe, Freundschaft, Verbundenheit, soziale Integration 
  • Sicherheit: keine schwerwiegenden Ängste, Freiheitsgefühl, finanzielle und materielle Stabilität
  • Körper & Gesundheit: Gesunde Ernährung, Tagesstruktur, Bewegung, ausreichend Schlaf, Ausleben der individuellen Sexualität, Vermeidung von Suchtmitteln, Vermeidung von chronischem Stress, Ruhe- und Erholungszeiten
  • Psychologische Bedingungen: Selbstvertrauen, Wertschätzung, Emotionsregulation, Lebenssinn
  • Produktivität: Arbeit, Kreativität, Bewältigung von Herausforderungen (letzteres bedingt übrigens akuten Stress, der im Gegensatz zu chronischem Stress einen positiven Einfluss auf das psychische Wohlbefinden hat)
Kategorien: Psychologie