Unser Körper hat eine natürliche Grenze: die Haut, das größte Organ des Menschen. Sie ist der physische Rahmen unseres Organismus und schützt uns vor äußeren Einflüssen. Wenn sie verletzt wird, erfordert es Heilung. Schwerwiegende Verletzungen können uns sogar in Lebensgefahr bringen.
Sehr ähnlich ist es mit Grenzen auf psychischer/seelischer Ebene. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass sie nicht natürlich gegeben sind. Wir müssen angemessene Grenzen vorgelebt bekommen, eigene Grenzen entwickeln und austesten, Akzeptanz für unsere Grenzen spüren und auch negative Konsequenzen erfahren, wenn wir gewisse Grenzen (noch) nicht haben oder nicht für sie einstehen.
Wenn wir keine Grenzen haben, können wir uns das in etwa so vorstellen: Wir treiben mit einem Paddelboot auf offenem Ozean. Ohne Orientierung. Wir sind abhängig davon, was um uns herum passiert. Werden die Wellen zu hoch, werden wir in die Tiefe gerissen.
Wir brauchen also einen sicheren Hafen, um uns zu schützen. Damit ein sicherer Hafen entstehen kann, benötigen wir Hafenmauern und Wellenbrecher: unsere Grenzen. Grenzen, die uns nicht vollständig abschirmen, aber vor heftigem Seegang bewahren.
Viele Menschen haben die implizite Annahme, dass sie nicht gemocht oder abgelehnt werden, wenn sie Grenzen setzen. Und, dass es distanzierend, rücksichtslos oder sogar vernachlässigend wirken könnte, Grenzen zu setzen. Die Folgen, wenn diese Annahme das eigene Verhalten leitet, sind gravierend.
Der Großteil unserer Lebens findet in Beziehungen statt: Partnerschaft, Verwandtschaft, Freundschaft, Kollegenschaft, Nachbarschaft, Kundschaft, Bekanntschaft – und viele mehr. Damit in all diesen Beziehungen unsere Bedürfnisse erfüllt werden können (insbesondere Verbundenheit, soziale Nähe und Unterstützung), müssen sie sich im Rahmen eines sicheren Hafens bewegen. Die Alternative ist, dass wir gemeinsam auf offenem Ozean schwimmen, uns im Kampf ums seelische Überleben gegenseitig verletzen und im schlimmsten Fall sogar gemeinsam untergehen.
Angemessene Grenzen zu setzen beutetet also, für uns selbst und unsere Mitmenschen zu sorgen. Es bedeutet, einen sicheren Hafen für positive Beziehungen zu schaffen.