Der Psychologe Klaus Grawe kristallisierte in langjährigen Forschungen vier psychische Grundbedürfnisse heraus:
- Bindung: Tiefgründige Beziehungen und Zugehörigkeit
- Kontrolle: Selbstbestimmung, Struktur und Orientierung
- Selbstwert: Anerkennung und Wertschätzung
- Lustgewinn und Unlustvermeidung: Schaffung positiver Gefühle bzw. Vermeidung negativer Gefühle
Wozu ist es gut, diese Bedürfnisse zu kennen? Sie helfen uns dabei, psychische Probleme und Erkrankungen besser zu verstehen:
- Einsamkeit, innere Leere – bei ausbleibender Bindung
- Ohnmacht, Hilflosigkeit, Unsicherheit, Abhängigkeit – bei ausbleibender Kontrolle
- Minderwertigkeit, Wertlosigkeit – bei ausbleibender Selbstwerterhöhung
- Sinnlosigkeit, Überlastung – bei ausbleibender Lust bzw. andauernder Unlust
Die einzelnen psychischen Grundbedürfnisse bewirken in uns entweder Annäherungsverhalten zur aktiven Erfüllung der Bedürfnisse oder Vermeidungsverhalten zum Schutz vor (weiteren) Verletzungen der Bedürfnisse. Übermäßiges oder langfristiges Vermeidungsverhalten führt jedoch zu mangelnder Bedürfnisbefriedigung und seelischer Belastung.
Probleme können übrigens auch entstehen, wenn unterschiedliche Bedürfnisse miteinander konkurrieren. Als Beispiel:
- Eine Person, die Hilflosigkeit oder Ohnmacht erlebt hat (z. B. durch Gewalterfahrungen oder den Verlust einer nahen Bezugsperson), entwickelt einen starken Drang nach Selbstbestimmung (Kontrollbedürfnis) und erschwert dadurch möglicherweise den Aufbau einer tiefgründigen Beziehung (Bindungsbedürfnis).
- Umgekehrt kann es auch sein, dass eine Person, die tiefe Einsamkeit erlebt hat, sich aufgrund eines starken Bindungsbedürfnisses mit Erniedrigungen in ihrer Beziehung abfindet – und dadurch das Bedürfnis nach Selbstbestimmung vernachlässigt.